Die Zukunft im Blick: Digitale Transformation als Auftrag der Kita-Leitung

Wie die Welt in 20 Jahren aussehen wird, wissen wir nicht. Doch klar ist: Die Digitalisierung wird unser Leben weiterhin tiefgreifend verändern. Auch die Kita muss fit sein für die Zukunft, sagt Dörte Mülheims von Kibequa.

Zwei Mädchen schauen durch VR-Brillen und sind erstaunt. Ist das ein Zukunftszenario?
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Die Kita-Leitung nimmt eine Schlüsselposition ein. Sie bringt die Einrichtung durch die Stürme des Alltags und behält dabei den Überblick. Und sie ist dafür verantwortlich, die Kita in die Zukunft zu steuern. 

Jetzt ist es an der Zeit, sich mit der "digitalen Transformation" zu befassen. Denn sie verändert den Zugang zu Bildung und Teilhabe - auch für unsere Kita-Kinder. 

 

Unsere Gastautorin Dörte Mülheims ist Gründerin der Plattform "Kibequa - Kitaleitung bestens qualifiziert". Die Diplom-Pädagogin und Managementreferentin ist Expertin für Führung und Qualität in Kitas. 

Drei Thesen zu den Bildungschancen von Kita-Kindern

Die Bildungschancen unserer Kinder haben ihren institutionellen Ursprung in der Kita.

... soweit klar!

Die Bildungschancen unserer Kinder sind abhängig von der Art der Führung der Fachkräfte durch die Kitaleitung.

... schon weniger geläufig!

Die Bildungschancen unserer Kinder sind abhängig vom Selbstverständnis und der (Selbst-)Führungskompetenz der Kitaleitung.

... wieso denn das?

Warum das grundsätzlich so ist und sich das vor allem im Umgang mit der gesellschaftlichen digitalen Transformation zeigt, darum soll es in diesem Beitrag gehen.

 

Digitale Lebenswelten: Heute und in Zukunft

Wer konnte sich vor 20 Jahren vorstellen, wie die digitale Welt heute aussieht? Kaum ein Mensch ohne Smartphone, Alexa & Co. in den Familien. Der Kühlschrank, die Heizung, das Auto mit Steuerung über App. Küchenplaner, die in minutenschnelle die Räume scannen und dem Kunden seine neue Küche begehbar am Computer präsentieren. Die Liste ließe sich immens vergrößern. Kinder wachsen in dieser Umwelt auf und gewinnen bereits im Krippenalter einen guten Überblick über die Medien, die im familiären Rahmen genutzt werden.1 

Blicken wir jetzt 20 Jahre in die Zukunft, können wir uns wiederum nicht vorstellen, wie unsere digitale Welt aussehen wird. Kinder, die heute unsere Kitas besuchen, werden dann am Anfang ihres Berufslebens stehen. Wir müssen uns fragen, wie wir als Pädagog:innen sie auf eine Lebensrealität vorbereiten, von der wir nur eines wissen: Die digitale Transformation der Gesellschaft wird unser Leben in hohem Maße beeinflussen! Ob wir dies selbst gut heißen oder nicht spielt dabei keine Rolle. 

 

Wir wissen nicht, wie die digitale Welt 2043 aussehen wird. Was wir wissen:

Die Kompetenz, mit digitalen Medien umzugehen, beeinflusst das Leben und den beruflichen Erfolg entscheidend.

 

Die Kita muss sich dieser Entwicklung stellen,um sich als Bildungsinstitution ihrer zentralen Aufgabe zu widmen: Kinder für ein Leben in dieser Gesellschaft heute und in Zukunft fit zu machen. Diesen Weitblick in die Pädagogik zu bringen ist eine nur gemeinsam zu leistende Aufgabe von Forschung, Qualifizierung, Trägern und den Kitas selbst.

 

Verantwortung der Kita-Leitung

In der Kindertageseinrichtung haben die Kita-Leitungen dabei die zentrale Verantwortung, die mit besonderen Herausforderungen verbunden ist:

  • Digitale Bildung in der Kita ist zu Beginn vor allem digitale Erwachsenen-Bildung

  • Die Rolle der Fachkräfte muss sich von einer lehrenden und wissenden Rolle in eine ko-konstruktive Rolle verändern: Gemeinsam mit Kindern und Eltern in Lernprozesse eintauchen und sich selbst als forschende Fachperson verstehen.

  • Future Skills - Zukunftskompetenzen - sind die neuen Anforderungen, die in vielen Zusammenhängen bereits gut beschrieben sind,3 bisher aber kaum Einzug in die Denk- und Arbeitsweise von Fachkräften gehalten haben.

Was genau bedeutet das für Sie?

Ich möchte Sie, liebe Leser:innen einladen, sich mit den folgenden Fragen und Themen auseinanderzusetzen. Ich möchte Sie inspirieren zu einer neugierigen Haltung, zu einem forschenden Blick auf die eigene Person. Ich möchte Sie ermutigen den Blick zu öffnen für die Geschehnisse außerhalb der eigenen Komfortzone, auch und gerade, wenn sie auf den ersten Blick „unmöglich“ erscheinen.

Es geht nicht um konkrete Antworten, es geht um den offenen Blick auf eine sich wandelnde digitale Gesellschaft

 

Selbstreflexion

Fragen Sie sich selbst:

  • Welche digitalen Geräte nutze ich für mich ganz selbstverständlich, sind aus meinem Leben nicht mehr wegzudenken? Welche Vorteile bringen sie mir und wie bin ich dazu gekommen, sie mir anzuschaffen?
  • Welche digitalen Möglichkeiten erlebe ich in meiner Umgebung? Welche gefallen wir, welche machen mich neugierig? 4
  • Lasse ich mich überraschen von der Anwendung? Erwerbe ich Wissen und Kompetenzen, bevor ich über ein digitales Medium urteile?
  • Kann ich Chancen und Risiken für mich einschätzen?
  • Bin ich bereit, meine Komfortzone immer wieder zu verlassen?

 

Selbstführung

Fragen Sie sich in Ihrer Rolle als Kita-Leitung: 

  • Bin ich mir gänzlich bewusst über meine Vorbildfunktion (Haltung, Werte, Verhalten) für das Team und die Eltern?
  • Ist mir die Bedeutung der Zukunftsorientierung und der Auseinandersetzung mit Future Skills für die Bildungschancen der Kinder mit allen Konsequenzen klar? Welche Future Skills darf ich selbst als erstes entwickeln?
  • Gehe ich mit den mir zur Verfügung stehenden digitalen Medien selbstverständlich um? Fordere ich ggf. eine bessere Ausstattung vom Träger?
  • Bin ich experimentierfreudig? Lasse ich mich selbst gerne auf Neues ein (z.B. eine digitale Kitaverwaltung oder Eltern-Apps)?
  • Besuche ich entsprechende Fortbildungen und treibe meine persönliche Kompetenzaneignung bewusst voran?
  • Ist mir bewusst, dass es für viele Fragen im Zusammenhang mit der Digitalisierung noch keine abschließenden Antworten gibt? Bin ich offen dafür, diese Unsicherheiten als Chance zu betrachten?

 

Teamführung

Fragen Sie sich im Hinblick auf Ihr Team:

  • Gehe ich mit der klaren Position als Führungskraft auf mein Team zu, dass lebenslanges Lernen und die Auseinandersetzung mit neuen Entwicklungen zur Profession und somit zum Alltag einer Fachkraft gehört?
  • Mache ich die gesellschaftliche Entwicklung, die Lebenssituation der Kinder und Familien immer wieder zum Thema? Greife ich die sich daraus ergebenden Veränderungsnotwendigkeiten in der Kita immer wieder auf?
  • Thematisiere ich die sich verändernde Rolle der Fachkraft im Hinblick auf die digitale Transformation (siehe oben)?
  • Unterstütze ich durch Fortbildungen den Kompetenzerwerb meines Teams, da Bildung von Kindern erst einmal Bildung der Fachkräfte erfordert?
  • Gehe ich lösungsorientiert mit Schwierigkeiten und Grenzen von Fachkräften um? Entlasse ich sie also nicht aus ihrer Verantwortung und finde gleichermaßen individuelle Möglichkeiten des Umgangs mit Ängsten und Vorbehalten?

 

Neue Möglichkeiten in der Pädagogik

Je mehr Antworten Sie auf die o.g. Fragen finden, desto klarer wird Ihre Position als Kita-Leitung. Und desto selbstverständlicher wird der Umgang mit den jetzigen und zukünftigen digitalen Entwicklungen in der Pädagogik.

Um wie viel reicher wird die Pädagogik, wenn die traditionellen Möglichkeiten der Bildung ergänzt werden durch neue Formen, die uns die digitalen Medien zur Verfügung stellen:

 

  • Wie wäre es nach einem Ausflug mit einer ausführlichen Untersuchung des Teiches und seiner Lebewesen sich die Welt unter der Wasseroberfläche durch ein Buch und einen Film zu erschließen und sich dann mittels einer Cyberbrille selbst in die Rolle des Frosches zu versetzen und durch den Teich zu schwimmen?
  • Wie spannend könnte es sein, den Kita-Spielplatz mit einer Drohne zu überfliegen und sich die bekannte Welt von oben und somit aus einer neuen Perspektive zu erschließen?
  • Wie aufregend wäre es wohl, den Kita-Roboter selbst zu programmieren und ihm beizubringen, ein Eis aus der Küche zu holen?
  • Wie genial, wenn die im Wald gefundenen Blätter mit allen Sinnen erfahren werden und sich die Wahrnehmung mithilfe einer Cyberbrille dann erweitern kann auf den inneren Aufbau eines Blattes.
  • Können Sie sich vorstellen, gemeinsam mit den Kindern selbst aufgenommene Fotos aus der Kita mittels Computerprogrammen farblich zu verändern, zu verzerren, damit in alle Veränderungsrichtungen zu spielen und sich lebhaft darüber auszutauschen, wie sich die Realität verändern lässt?
  • Wie interessant, sich mittels Virtual-Reality in eines der Herkunftsländer der Kita-Kinder zu begeben.

Welche Szenarien werden wohl in den nächsten Jahren möglich werden? Welche Chancen ergeben sich für die Bildung - und wo müssen die Pädagog:innen achtsam sein, weil jede neue technische Errungenschaft auch Gefahren mit sich bringen kann?

 

Die Welt wartet nicht!

Sicher ist: Die Welt wartet nicht darauf, bis sich die Bildungsinstitution Kita auf den Weg macht.

Der Motor für die Weiterentwicklung innerhalb der Kita sind Sie, liebe Kita-Leitungen! Zu ihrem Verantwortungsbereich gehört der Blick auf gesellschaftliche Prozesse in ihrem Mikroumfeld genau wie auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene.

Sich mit Neugier, Transparenz und Entschlossenheit dieser Aufgabe zu widmen - das macht Ihre Führungsaufgabe so spannend. 

Dörte Mülheims

Fazit von Jasmin Block

Als Kita-Leitung stellen Sie Weichen - für den Alltag in der Einrichtung und die Bildungschancen der Kinder. Die digitale Lebenswelt ist kein Paralleluniversum, sondern unsere Realität, die die Art, wie wir leben und arbeiten, heute und künftig beeinflusst. Gehen Sie reflektiert voran, indem Sie Ihren Blick schärfen und sich weiterentwickeln! 

Kibequa | Kitaleitung bestens qualifiziert ist eine Initiative von Dörte Mülheims. Hier finden Sie Online-Qualifizierungskurse zu vielfältigen Themen rund um die Leitung von Kitas. 

 

Quellen:

1) Fthenakis, W. (2023). Eröffnungsvortrag des Kita-Onlinekongresses. 

2) Autor:innengruppe Bildungsberichterstattung (2022). Bildung in Deutschland kompakt 2022 (S. 27). Bielefeld: wbv Publikation. 

3) Bertelsmann Stiftung, Dt. Telekom Stiftung, Education Y e.V., Global Goals Curriculum e.V. & Siemens Stiftung (2020). OECD Lernkompass 2030, OECD-Projekt Future of Education and Skills 2030, Rahmenkonzept des Lernens. Beispiel: Spiegel et al. (2021): Future Skills, 30 zukunftsentscheidende Kompetenzen und wie wir sie lernen können. München: Verlag Franz Vahlen GmbH.

4) Unser Garten wurde zwecks Umgestaltung vom Landschaftsplaner von einer Drohne in wenigen Minuten gescannt, der neue Garten ist dann am Bildschirm erlebbar und begehbar. Der Standort der neuen Wärmepumpe wurde mittels digitaler Vermessung auf die einzuhaltenden Abstände von den Nachbarn überprüft.

5) Im Porsche Museum in Stuttgart können sich Kinder ab 5 Jahre in eine virtuelle Werkstatt begeben und dort an den Autos der früheren Zeit arbeiten.