Digitale Fortbildungen: Echter Mehrwert für Kita-Fachkräfte?

Mittlerweile werden immer mehr Fortbildungen auch online angeboten. Ist das eine Notlösung? Oder sind digitale Fortbildungsformate eine prima Chance für die umfassende Personal- und Qualitätsentwicklung?

Eine Erzieherin sitzt vor dem Laptop und hebt die Hand, um die Teilnehmenden des Webinars zu grüßen
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Die "digitale Kita" hat viele Facetten - und eine davon ist die digital gestützte Fortbildung für pädagogische Fachkräfte. 

Wir wollen mehr darüber wissen und fragen bei Anne Kuhnert nach. Sie erzählt uns von vielseitigen Bildungszugängen, sonnigen Lernsessions auf dem Sofa und zeitgemäßer Personalentwicklung für mehr Qualität in Kindertageseinrichtungen. 

 

Anne Kuhnert ist pädagogische Leitung von InDiPaed - Institut für Digitale Pädagogik (n.staatl.) mit langjähriger Praxiserfahrung als Bildungsreferentin. Ihre Stärken liegen im Transfer zwischen Wissenschaft und Arbeitswelt sowie in ihrem mitreißenden Temperament, mit dem sie Begeisterung weckt. Ihre Onlinekurse zeichnen sich durch Kurzweiligkeit und Witz aus und vermitteln Themen wie Inklusion, Vielfalt, Neurodiversität und Kinderschutz.

  • Fortbildungen für Kita-Fachkräfte werden immer häufiger als Webinare und Online-Kurse auf Lernplattformen angeboten. Sich jederzeit unkompliziert und ohne Reiseaufwand zu interessanten Themen weiterzubilden - das klingt toll. Aber können digitale Formate denn an den qualitätsfördernden Mehrwert von Präsenzfortbildungen heranreichen? 

Zuerst einmal sollten wir uns den Mehrwert von Präsenzfortbildungen einmal genauer anschauen. Sie haben deswegen einen so hohen Stellenwert in der Qualitätsentwicklung von pädagogischen Fachkräften, weil in dieser synchronen Zeit des gemeinsamen Lernens permanente Praxisreflexion im gegenseitigen kollegialen Austausch stattfindet. Dieser kollegiale Austausch, der durch Mimik, Gestik und Gruppendynamik unterstützt wird, hilft natürlich sehr, die pädagogischen Fortbildungsinhalte gemeinsam in den eigenen Praxisalltag zu transportieren

Durch das anwesende Korrektiv der Kolleg:innen können die Fachkräfte Impulse bekommen, ins Überlegen geraten und bestenfalls durch Beispiele der anderen Neues dazulernen und Lust bekommen, dieses auszuprobieren. 

Das ist natürlich schwer durch digitale Tools gleichermaßen umzusetzen. Gleichwohl muss das nicht die Zielrichtung der onlinegestützten Formate sein. Und sollte es vielleicht auch nicht. Zwei so unterschiedliche Formate, Wissen zu vermitteln und zu lernen, können kaum einander ersetzen. Das wäre, als würden wir Äpfel mit Birnen vergleichen. 

Online oder Präsenz? Kommt drauf an!

  • Dann trennen wir doch mal die Birnen von den Äpfeln. Präsenzfortbildungen sind vor allem wertvoll, weil der Austausch der Teilnehmer:innen Reflexions- und Professionalisierungsprozesse auslöst. Viele Erzieher:innen kennen und schätzen das. Was ist denn ungünstig am Charakter der Präzenzfortbildung?  

So sehr der gegenseitige Kontakt vieler Fachkräfte miteinander geschätzt und gewünscht wird, so gibt es auch andere, die Schwierigkeiten in Großgruppen und Interaktionen haben. Wie ist vielleicht das Lernen für Einzelne in Fortbildungen, wenn es häufige Rederunden und Gesprächskreise gibt, in denen sich alle vorstellen und mitreden? Entsteht hier vielleicht durch Gruppendynamik ein Druck auf Einzelne, der am Lernen und Partizipieren hindern kann?

Immer wieder berichten uns Teilnehmer:innen, dass sie die Vorstellungsrunden, "Wie-geht´s-mir"-Runden und Rollenspiele fürchten und ablehnen - und teils sogar besorgt vor neuen pädagogischen Übungen die nächste Präsenzfortbildung fürchten. Hier bräuchte es einen inklusiveren Blick auf die bisherige Gestaltung von Präsenzfortbildungen hinsichtlich ihrer Formate. Sind wirklich alle beteiligt? Und wer fühlt sich unwohl? Wie gehen wir mit Menschen um? Bieten wir Strukturen, innerhalb derer sie auch lernen können?

Sicherlich trifft dies auf Wenige und selten genug zu. Und dennoch bieten hier digitale Formate eine wunderbare Ergänzung und Alternative für Menschen, denen Präsenzfortbildungen weniger Mehrwert bringen. 

 

  • Es ist also nicht der richtige Ansatz, beide Formate in einen Topf zu werfen. Es kommt darauf an, welches Ziel man verfolgt - und welche Lernform man in einem bestimmten Kontext bevorzugt. Online und Präsenz sollten also bestenfalls gemeinsam gedacht werden?  

Ja, genau. Durch die Corona-Pandemie war nicht nur eine eklatante Lücke in der stetigen Qualitätsentwicklung vieler Teams entstanden. Zudem mussten sich viele Fachkräfte auf andere Zugänge und neue Lernformate einstellen, da anderes für viele Monate nicht möglich war. Somit entstand in einigen Erzieher:innen ein Gefühl von Ersatz, also dem Ersetzen von Präsenzfortbildungen durch Digitales. Und kurzzeitig war das auch so.

Jetzt gilt es vielmehr, zu überlegen und zu reflektieren, wie onlinegestützte Fortbildungsformate als Ergänzung und Erweiterung in der bisher etablierten Qualitätsentwicklung unterstützen können. Denn wie so oft hat Beides - analoges und digitales Lernen - sowohl Vor- als auch Nachteile. 

So können digitale Formate, inklusiv durchdacht, wesentlich mehr Menschen Möglichkeiten zur Beteiligung anbieten. Große Gruppen oder Rollstuhlrampen stellen keine Barriere mehr dar. Zudem spart es an einigen Stellen enorme Ressourcen: Beispielsweise braucht es online keinen entsprechend großen Raum für alle Teilnehmer:innen. Auch kann sich gerade bei asynchronen Lernangeboten die Zeit frei eingeteilt werden und es fehlen keine Fachkräfte in den Einrichtungen. Es braucht auch keine zusätzliche Mobilität zum Veranstaltungsort.

Auch wenn die digitale Infrastruktur in Deutschland bei weitem noch nicht so ausgebaut ist, dass auch die Erzieher:innen im ländlichen Raum gut teilnehmen können, setzen immer mehr Träger auf digitale Lern-Management-Systeme. Sie begreifen es als Chance, die Qualitätsentwicklung in den einzelnen Häusern systematisch zu unterstützen und im Auge behalten zu können. Im Gespräch mit diesen Trägervertreter:innen wird deutlich, dass sie Präsenzfortbildungen immer Hand in Hand mit digitalen Angeboten denken. Und dann hätten wir einen wirklichen Mehrwert in der Qualitätsdebatte

Lerneffekte und -erfolge

  • Digitale Fortbildungsformate sind ein Baustein, um Kita-Qualität zu fördern. Dann geht es nicht nur darum, eine Lücke zu füllen - sondern konkrete Vorteile für die Praxis zu nutzen. Welche sind das? 

Der wirkliche Mehrwert von digitalen Lernformaten liegt unschwer darin, dass durch permanente Verfügbarkeit der Inhalte im weltweiten Web und die Bündelung von Ressourcen vieler kluger Ideengeber:innen den sonst so knappen Rahmenbedingungen in der Pädagogik an einigen Stellen etwas entgegengesetzt werden kann. 

Lernen, Fort- und Weiterbildungen sowie der reine Wissenserwerb können losgelöst von anwesenden Referent:innen stattfinden - und das insbesondere dann, wenn es thematisch passt.

Die Teams und auch einzelnen Fachkräfte sind verhältnismäßig autonom in der Gestaltung des eigenen Lernens, denn der zusätzliche unschlagbare Vorteil für viele Lernende liegt darin, dass sie sich selbst die Lernzeiten und -orte suchen und einteilen können. Plötzlich verschwindet das "Lernen müssen" mit dem Beigeschmack vergangener Schulatmosphäre hin auf das sonnige Sofa im Wohnzimmer bei einer Tasse Tee. 

 

  • Autonomes Lernen, auch vom Sofa aus - das mutet  zeitgemäß und individuell an... und entspannt. Wie kann man sich als Kursteilnehmer:in einer Online-Forbildung denn sicher sein, auch wirklich einen Lerneffekt zu erzielen? 

Unabhängig vom Lernformat kann man sich als Teilnehmer:in nie wirklich sicher sein, einen direkten Lerneffekt zu erzielen. Insbesondere dann nicht, wenn die Lernenden davon ausgehen, jedes Mal vollkommen neue und unbekannte Informationen zu bekommen. Dabei weist schon der Ausspruch "schlimmstenfalls hast Du etwas gelernt" darauf hin, dass selbst bei Wiederholungen ein Lernerfolg oder Lerneffekt stattfindet, der in der Praxis nützt. Ganz gleich, ob digital oder analog - es gibt leider keinen Garant für einen Lerneffekt. So sehr wir uns das auch wünschen würden. 

Dennoch können und sollten Anbieter von onlinegestützten Lernformaten zusätzlich unterstützen und die Fachkräfte begleiten, damit es keine bösen Überraschungen gibt. In unseren Angeboten bei InDiPaed - Institut für Digitale Pädagogik (n.staatl.) versuchen wir, die Transmission zwischen fachwissenschaftlichen Diskursen und pädagogischer Praxis auf leichte und anschauliche Weise anzubieten. So können auch komplexe Themen im digitalen Format vermittelt werden. 

Gleichzeitig sind Lerneffekte nur schwer von außen zu steuern. Die besten Lerneffekte erzielen wir durch eine hohe intrinsische Motivation. Dies versuchen wir durch entsprechende humoristische und auch zum Lächeln bringende Einlagen innerhalb der Lerneinheiten zu gewährleisten. Das führt dazu, dass mit etwas Spaß und Freude auch komplexere Inhalte leichter verständlich und mit einer besseren Motivation gelernt werden können. 

Last but not least kann eine digitale Überprüfung der Lerneffekte immer organisiert werden, z.B. durch Lernerfolgskontrollen wie Quizzes, Tests oder Abfragen, die sich auf die Lerninhalte beziehen. Aber ja - eine absolute Sicherheit für einen Lerneffekt gibt es nicht! Weder in Präsenz- noch in digitalen Fortbildungen. 

Übrigens hilft es, sich umzuhören und vielleicht bei anderen Kolleg:innen nachzufragen, wie sie bei entsprechend genutzten digitalen Angeboten ihre eigenen Lernerfolge einschätzen würden. "Sharing is Caring" - das bezieht sich auch auf die Weitergabe von guten Erfahrungen und Empfehlungen. 

Medienaffin oder nicht...

  • Welche Voraussetzungen sollte man als Teilnehmer:in erfüllen, um erfolgreich an Online-Fortbildungen teilnehmen zu können? Muss man dazu besonders medienaffin sein? 

Nein, man muss auch keine ausgefeilte Technik einsetzen. In aller Regel reicht es, ein digitales Endgerät bedienen zu können. Das kann ein Handy, ein Tablet, bestenfalls ein Laptop oder PC sein. Wichtig ist hier, dass der Zugang zum Internet gewährleistet ist. Denn oft können Materialien, Onlinekurse oder Webinare nur online genutzt werden. Selten werden diese Lernmaterialien offline zur Verfügung gestellt.  

Persönlich sollten die Teilnehmer:innen etwas Mut mitbringen und Freude daran haben, etwas Neues auszuprobieren. Ein bisschen Explorationsverhalten, ein bisschen Experimentierfreude - wie wir das bei Kindern schätzen, wenn sie sich auf ein neues Spielzeug stürzen!

Wenn große Angst oder Sorge besteht, in der Bedienung technischer Geräte etwas falsch zu machen - dann ist eine Online-Fortbildung eine tolle Gelegenheit, zu wachsen! Hier können Teams und Fachkräfte ansetzen und erstmal reflektieren, wie ihr eigener Zugang zu Technik als Kind war. Wie bin ich mit Technik und Geräten in Kontakt gekommen? Hatte ich als Kind schon Freude am "Knöpfe-drücken" oder Anschalten von Gerätschaften? Oftmals lösen sich innere Blockaden - und plötzlich kann der Zugang zu digitalen Lerneinheiten ganz leicht sein. 

Ein Blick in die Zukunft

  • Heute ist es wichtig, sich digitale Kompetenzen anzueignen. Wie wird sich das Feld entwickeln? Werden sich Online-Formate zur Fortbildung von Kita-Fachkräften etablieren - oder verschwindet dieser "Trend" wieder? 

Online-Formate werden die Zukunft der Qualitätsentwicklung in der Frühpädagogik ausmachen. Insbesondere da wir zumindest die reine Wissensvermittlung digitale abbilden werden müssen. Aufgrund enger Rahmenbedingungen wird es zukünftig weniger Schließtage für Fort- und Weiterbildungen geben. Das Personal wird also zumindest den Wissenserwerb teilweise in digitale Formate auslagern müssen, um Ressourcen zu sparen und um die verbleibende Zeit für Reflexionen und den kollegialen Austausch zu nutzen. 

Somit wird dieser "Trend" nicht verschwinden, sondern wir werden in den nächsten Monaten und Jahren weiterhin mit den einzelnen Formaten spielen, ausprobieren, Neues kennenlernen und schauen, welches Format für wen gut passt. So wie sich die Gesellschaft weiter ausdifferenziert, so werden sich auch die Zugänge zu Lerninhalten weiter ausdifferenzieren müssen. Und den engen Rahmenbedingungen in den Kitas kommt das sehr entgegen. 

Fazit von Jasmin Block

Die Digitalisierung verändert die Zugänge zu Bildung, Lernen und Teilhabe in unserer Gesellschaft - auch im Kita-Sektor. Gut, wenn sich Kita-Fachkräfte und Träger dazu entscheiden, die digitalen Möglichkeiten positiv für sich zu nutzen. Sie sind weit mehr als eine Notlösung, sondern halten viele Chancen für die Praxis bereit! Wie beim bedarfsgerechten Einsatz einer Kita-App kommt es eben darauf an, den spezifischen Mehrwert der digitalen Lösung zu erkennen. 

Apropos Kita-App: Besuchen Sie doch mal die kostenlosen Webinaraufzeichnung "Kita-Apps in der Praxis - Was können Kita-Apps?" - eine gemeinsame Aktion von InDiPaed - Institut für digitale Pädagogik (n.staatl.) und dem Handbuch Digitale Kita! Wir freuen uns auf Ihren Besuch! 

Sie würden sich gerne über das vielfältige Kursprogramm informieren? Stöbern Sie bei InDiPaed - Institut für Digitale Pädagogik (n.staatl.).