"Nudeln mit ohne Soße."

Nudeln in einer Schale
Essen & Trinken
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Was ich am Anfang noch lustig fand, wurde schnell zu einem Albtraum.

Ich kann es nicht mehr hören. „Was wollen wir essen?“ „Nuuuuuuddeeeellllllnnnn!“ Egal wo und wann ich meine Kleinen frage, die Antwort ist klar.
Egal ob lang, kurz, gedreht oder gerade - Hauptsache, eine Nudel landet auf dem Teller.

Was ich anfangs noch lustig fand, wurde schnell zum Albtraum. Die Mittlere isst (fast) nichts anderes mehr. Als kleines Kind war sie offen und experimentierfreudig. Je älter sie wird, desto komplizierter wird die Zusammenstellung des Speiseplans, wenn meine Ansprüche und ihr Geschmack berücksichtigt werden sollen.

Bei der U-Untersuchung spreche ich den Kinderarzt darauf an. Ich mache mir Sorgen, dass sie nicht alle Vitamine und Nährstoffe bekommt, die ihr kleiner Körper zum Wachsen braucht.

Der Arzt fängt für mich bei Null an: „Man muss sich jedes Lebensmittel wie ein Aromapuzzle vorstellen. Eine frische Erdbeere hat etwa 300 verschiedene Aromastoffe, ein Erdbeerjoghurt mit Aroma nur 10. Je mehr Rezeptoren wir im Laufe unseres Lebens ausbilden, desto lieber essen wir abwechslungsreich. Wenn ein Kind also bisher nur wenige Rezeptoren ausgebildet hat, schmecken ihm Lebensmittel, für die es nur wenige Rezeptoren braucht. Bis solche Rezeptoren ausgebildet sind, muss ein Geschmack den Mund mehrmals passieren, bis zu 20 Mal. Nudeln, Weißbrot und Pommes frites, wahlweise mit Mayonnaise oder Ketchup, treffen den Geschmack vieler Kinder. Hinzu kommt ein weiterer Vorteil: Kinder können diese Lebensmittel gut anfassen, greifen und sich selbst damit füttern. Lebensmittel, die unserem Gehirn als Primärnahrung dienen, werden von uns evolutionär bevorzugt. Da das Gehirn von Glukose, also Zucker, lebt, essen wir gerne kohlenhydrathaltige Lebensmittel wie Nudeln oder Brot. Das hat die Evolution gut gemacht, dass uns diese notwendigen Nahrungsmittel automatisch schmecken. Komplexe Lebensmittel brauchen viele, ausgeprägte Rezeptoren - deshalb schmecken Kaffee, Rosenkohl und Co. oft erst Erwachsenen“. Ich beginne, das Prinzip zu verstehen.

Der Arzt erklärt mir auch, warum die Kinder so oft das Essen vor dem Verzehr trennen: „Die Wurst vom Brot zu nehmen, ist schlau - sie ist leichter verdaulich und schmeckt reiner. Am nächsten Tag braucht der Körper mehr Energie, da werden Nudeln ohne Soße verlangt. Die nehmen sich, was sie brauchen.“
Was ich nicht verstehe, ist der Wechsel zwischen „ich esse alles“ und „ich esse nichts mehr“.
Der Arzt erklärt mir das mit der neophobischen Phase. Ich habe viel gelesen, aber das kannte ich auch nicht. Die Kinder essen dann lieber Vertrautes, das gibt ihnen Sicherheit. Er rät mir, mein Kind immer probieren zu lassen. IMMER. Erst dann bekommt sie ihre Nudeln. So gewöhnt sie sich an das Essen und nach ein paar Mal ist auch dieses Gericht bekannt und wird als „gut“ eingestuft. „Wenn man etwas acht Mal in acht Wochen isst und es jedes Mal als positiv empfindet, wird es zur Vorliebe - auch bei uns Großen“, sagt der Arzt.
Ich verlasse die Praxis und bin mir sicher: Das ist nur eine Phase.
Denn sie ist gewachsen. Seit der letzten U sogar gewaltig.

Zu Hause versuche ich noch, die Kleine auszutricksen. Ich stelle zwei Schüsseln auf den Tisch. In die eine lege ich zwei Erdbeeren, in die andere eine Handvoll Bonbons.

Tatsächlich greift die kleine Hand zuerst nach den Beeren.
Das vermeintlich knappe Lebensmittel hat sie angelockt. Das merke ich mir.

Am Abend frage ich diesmal nicht, was ich kochen soll - ich mache uns einfach Nudeln.