Über das Schenken und beschenkt werden.

Blumenstrauß

Über Geschenke, die man nicht erwidert.

„Guten Morgen! Ich habe Blumen für Sie!“ Der Bote steht an meiner Tür und überreicht mir einen wunderschönen Blumenstrauß. Meine Lieblingsblumen. Ich suche eine Karte und finde keine. Ich rufe meinen Mann an und bedanke mich. Er ist verdutzt, denn diese Blumen sind nicht von ihm. Meine Mama lacht am Telefon und verneint ebenfalls die Blumen. 

Ich grüble und grüble als mich die Nachricht meiner längsten Freundin Maike erreicht – „Mucki, hast du dich über die Blumen gefreut? Ich hab dich lieb!“ Ich bin innerlich so sauer auf mich selbst. Sauer, weil ich nicht auf sie als Absender gekommen bin. Sauer, weil ich auf solche Ideen nie komme. Sauer, weil ich mich freue und zeitgleich denke, dass ich ihr nun auch etwas schenken muss, weil sie sich immer solche Mühe gibt und ich nie. Ich bedanke mich, rufe sie an und erzähle ihr von der fehlenden Karte und auch, dass ich gar nicht wusste, von wem die schönen Blumen sind. 

Maike ist mein Herzmensch seit der Kindheit. Wir haben uns auf jeden Fall gesucht und gefunden. Stundenland sind wir über die Insel gefahren, haben unsere Mix-Tapes mit Sean Paul, Beenie Man und Samy Deluxe gehört und Naschtüten im Kiosk unseres Vertrauens gekauft. Party, Alkohol, Jungs, hoher Zucker, niedriger Zucker  – man kann sagen, dass wir zusammen erwachsen geworden sind.

Drei Hochzeiten, zwei Scheidungen, fünf Kinder, zwei Selbstständigkeiten und etliche Flaschen Gin sind die Faktensammlung unserer Freundschaft. Dazu etliche WUNDERVOLLE Geschenke meiner lieben Freundin. Ich der Kopfmensch, der mit seinen Gedanken Geld verdient – sie die tatkräftige Handwerkerin, die anfassbare Ergebnisse schafft. Verschiedener kann man eigentlich gar nicht sein – und genau das macht uns aus. 
Sie beschenkt mich, weil sie das Schenken liebt. Das ist ihre Sprache der Liebe. Nicht, weil sie erwartet, dass sie auch etwas bekommt. Dafür kennt sie mich zu gut.

Es bleibt mein schlechtes Gewissen und der Anspruch an mich selbst, das nächste Mal SIE zu überraschen. Mal sehen, ob mir das gelingt.

habt ihr auch ungleiche Freundschaften? Schenkt ihr lieber oder werdet beschenkt?

Sie tut so viel für mich – und ich gefühlt so wenig für sie.

 Als ich ihr das sage, drückt sie mich durchs Telefon und sagt in ihrer Maike-Art: 
„1. Ich schenke, weil ich schenken liebe und nicht, weil ich etwas zurück erwarte.
2. Du schenkst mir so oft deinen Kopf, dein Ohr und deine Gedanken – du hast immer die richtigen Worte, wenn ich keine habe.
3. Ich weiß, dass deine Art des Schenkens nicht Materiell ist, und ich trotzdem alles von dir bekommen würde.“

Sie hat Recht. Ich würde für sie mein Haus verkaufen, wenn sie in Not ist. Ich würde ihre Kinder ohne zu überlegen zu mir nehmen, ich würde ihr mein letztes Hemd geben, wenn sie es braucht. Ich würde sprichwörtlich alles für sie tun. Aber ich denke nicht an Blumen oder Geschenke. Nicht, weil sie sie nicht verdient hat, sondern einfach, weil ich so nicht ticke. Dafür baue ich ihr eine Internetseite, wenn sie eine braucht oder helfe ihr bei Behördengängen, wenn sie mich an ihrer Seite möchte.

Das Gespräch hilft mir sehr - heute kann ich ihre Geschenke einfach genießen. 
Und sie macht so Schöne.

Während ich diesen Text schreibe, blicke ich auf einen wunderschönen Fleurop-Strauß, der mir gerade übergeben wurde. 
Diesmal mit Karte: „Mucki – zusammen sind wir die schönste Katastrophe.“ 
Ich weiß von wem die Blumen sind und ich freue mich – ganz ohne schlechtes Gewissen.